Mit Kindern an die Höga Kusten

Im Sommer 2001 wanderten wir eine Woche mit unseren Kindern Max (8) und Paula (6) ein Stück des Höga Kustenleden in Mittelschweden. Diese Beschreibung ist als Anregung für jene gedacht, die mit dem Gedanken spielen, etwas Ähnliches zu unternehmen.

Warum Höga Kusten?

Die Küstenlandschaft nördlich von Sundsvall und Härnösand, genauer gesagt zwischen der Mündung des Ångermanälven im Süden und Örnsköldsvik im Norden, trägt den Namen Höga Kusten - Hohe Küste. Wie überall hier im Norden ist auch das Aussehen dieses Landstrichs von den Kräften des Eises bestimmt worden, Glattgeschliffene Felspartien und Moränen dominieren. Hier hat das Eis jedoch noch eine weitere wichtige Rolle gespielt - es hat das Land förmlich in Bewegung versetzt. Wie man sich denken kann, hat die mehrere Kilometer dicke Eisschicht die Erdkruste belastet und nach unten gedrückt. Als das Eis schmolz, begann sich das Land wieder zu heben, und dies tut es immer noch, mit bis zu einem Zentimeter im Jahr. Dies hat interessante Konsequenzen. Ständig entstehen neue Inseln, Buchten werden abgeschnitten vom Meer und entwickeln sich zu Binnenseen, Häfen verlanden. Viele Meter über der heutigen Küstenlinie findet man Gräber aus der Eisenzeit, die ursprünglich am Ufer angelegt worden waren. Strandähnliche Landschaften liegen hoch über der Meeresoberfläche. Das Meer hat im Laufe der Jahre das Moränenmaterial nochmals bearbeitet. Kleine Partikel wurden ausgespült, zurück blieben Klapperstensfält - Geröllfelder mit einer unglaublichen Vielfalt an Gesteinsarten.

Eben diese Besonderheiten machen den Reiz dieser Gegend aus. Und die Kombination Meer und Gebirge macht sie zu einem idealen Urlaubsgebiet für wanderlustige Eltern mit badefreudigen Kindern. Ein weiterer Vorteil liegt auf der Hand: Ähnlich wie an der norwegischen Küste fehlen hier - Dank den frischen Winden in Meeresnähe - die sonst für den Norden typischen Blutsauger.

Unsere Ausrüstung

Vier Personen von denen nur zwei richtig tragen - das stellt einige Anforderungen an die Planung. Wir fanden, dass die Kinder in ihren kleinen Rucksäcken (15 bzw. 19 l) ihre eigenen Schlafsäcke tragen können. Es zeigte sich, dass sie damit keineswegs überfordert waren. Die übrige Ausrüstung: zwei Zelte (Hilleberg Nallo 3), vier Isoliermatten, unsere Schlafsäcke, Kocher (Juwel), Benzin und Topf sowie einiges an Kleidung, wurde auf die Rucksäcke der beiden "Großen" verteilt. Hinzu kam Verpflegung für knapp eine Woche, welche natürlich ständig im Abnehmen begriffen war. Unsicher war die Trinkwassersituation entlang des Weges, weshalb wir die meiste Zeit bis zu 4.5 l Wasser mit uns herumtrugen.

Bei der Verpflegung haben wir uns auf konzentrierte, leichte Lebensmittel beschränkt:

Während der Tour haben wir mehrfach Knäckebrot nachgekauft; die mitgenommene Menge war klar zu knapp kalkuliert. Drei Kilo erscheinen im Nachhinein realistischer. Auch über frische Milch und Fil (Sauermilch) haben wir uns hier und da sehr gefreut.

Die Anreise

Von Lund aus ging es halb acht morgens mit X2000 nach Stockholm, von da direkt weiter nach Sundsvall, das wir nach insgesamt acht Stunden Fahrtzeit erreichten. Der Buss nach Härnösand wartete bereits vor dem Bahnhof. Nach einer weiteren Stunde Reise stiegen wir erneut um, um nochmals 20 Minuten nach Veda zu fahren. Dort erwartete uns schon das bestellte Taxi, das uns über die Höga Kustenbron an den Ausgangspunkt unserer Wandertour nach Svartnoranäset beförderte. Mit über 1200 m Spannweite ist die Höga Kustenbron eine der längsten Hängebrücken der Welt, nur wenig kürzer als z.B. die Golden Gate Bridge.

Nach insgesamt knapp zehn Stunden Reisezeit betraten wir den Höga Kustenleden, der sich mit 127 km Länge von hier bis nach Örnsköldsvik schlängelt. Unser Ziel für den heutigen Tag war einfach nur noch ein geeigneter Platz zum Aufschlagen der Zelte, den wir dann auch nach ungefähr 3 km bei Nästorpet fanden.

Die Tour

Wir hatten die insgesamt 42 km bis zum Lappudden in passende kleine Etappen eingeteilt, um unseren Kindern die Lust am Wandern nicht zu verleiden. In bestimmten Grade wird die Einteilung durch die Lage der Übernachtungshütten erleichtert. Diese liegen meist in angemessenen Tagestourabständen voneinander entfernt.

Tag 1: Zum Valkallen

Am Morgen begrüßte uns nach regnerischer Nacht blauer Himmel und Sonne. Unser heutiges Ziel war die Übernachtungshütte (toppstuga) auf dem Valkallen (242 m). Nach einem Frühstück am Bootssteg mit Blick auf den Norafjärden kamen wir kurz nach 11 Uhr los. Nach Waldpassagen und der Überquerung eines Fahrweges ging es über einen Höhenzug: flechtenbedeckter felsiger Untergrund, viele Blaubeeren, und schöne Aussichten auf die kleinen Höfe und Meer und Seen rundum. Am zeitigen Nachmittag erreichten wir Sör-Lövvik. Am Hafen gibt es ein kleines Servicegebäude für Segler und Wanderer. Dort kochten wir unser Süppchen. Dazu kauften wir uns im Minilivs des Ortes etwas Weißbrot sowie Milch und auch Eis.

Nach unserer Mahlzeit nahmen wir die 240 m Höhenunterschied in Angriff. Zuerst folgt der Weg der Straße, dann verlässt er diese. Die letzten 800 m zum Gipfel enthalten den Großteil der Höhenmeter - der Weg wird teilweise mit Seilen gesichert. Mitten am Hang machten wir eine Blaubeerpause. Auf dem Gipfel erwartete uns eine neue, gemütliche Hütte. Zum Abendessen gönnten wir uns drei Pakete Tortellini, gekocht in Wasser aus der Regentonne an der Hütte. Die Aussicht war überwältigend: Im Westen, gegen die tiefstehende Sonne die Mündung des Ångermanälven und die ihn überspannende Brücke, im Süden und Osten das Meer, während sich im Norden die Höga Kusten erstreckte, unser Ziel für die nächsten Tage.

Das Gästebuch zeugt von reger Benutzung dieser Toppstuga - vor allem bei "Besteigung" per Schneescooter im Winter. Wir durften sie in dieser Nacht allein nutzen. Auf dem Fußboden breiteten wir unsere dünnen Isomatten aus. Das Liegen auf dem harten Boden erforderte doch einige Gewöhnung.

Tag 2: Valkallen - Fjärdbotten

Das Wetter sah immer noch vielversprechend aus, als wir uns am Morgen erhoben. Nach Frühstück und Packen waren wir diesmal schneller wieder auf dem Weg. Nach kurzem steilen Abstieg zurück zum Wanderweg gingen wir diesen in Richtung Meer, das wir in einer Bucht (Halsviken) erreichten. Am Weg dahin befand sich auch eine kleine Quelle (kallkälla), sodass Annett sich den Umweg über Sör-Lövvik zum Wasserholen hätte sparen können. An der Quelle hatte sie auch eine Begegnung mit einer kleinen (offenbar jungen) Kreuzotter.

Am Halsviken erwartete uns Sandstrand und schöne Wellen, sodass wir zur Mittagspause auch noch ein Bad nehmen konnten. Nun ging es weiter am Ufer entlang, teils über Geröllfelder, teils über felsige Strandpartien in Richtung Grönviksfjärden. Eine Badepause legten wir noch ein, bevor der Wanderweg das Ufer wieder verließ und zuerst einem Fahrweg und später dann der Straße in Richtung Nora folgt. Hier machte sich dann zumindest bei Paula die Anstrengung bemerkbar. Gut, dass wir schon auf der anderen Seite des Fjärdbottens die Hütten der ehemaligen Sommerweide (fäbodvall) sehen konnten; mit einem Ziel vor den Augen und einem Lied auf den Lippen marschiert es sich bedeutend leichter.

Am Fjärdbotten gibt es zwei ausgezeichnete Quellen sowie einige gut erhaltene Sennhütten, die vom Friluftsfrämjandet als Übernachtungshütten hergerichtet worden sind. In Anbetracht der dunklen, niedrigen Hütten schlugen wir dann aber doch lieber die Zelte auf. Ein Bootssteg und schönes warmes Wasser (22∠C) luden zum Baden ein. Die Abendsuppe wurde diesmal über dem Feuer gekocht.

Tag 3: Ruhetag am Fjärdbotten

Es regnete in Strömen, als wir erwachten. Wegen einer schlecht platzierten Zeltunterlage in Kombination mit undichtem Zeltboden stand das Wasser im Zelt der Kinder. Wir beschlossen, vorerst nicht weiter zu wandern. Im Laufe des Vormittags schaute dann doch die Sonne hinter den Wolken hervor, und wir hängten das Kinderzelt zum Trocknen auf. Dann machten wir uns mit "leichtem Gepäck" auf den Weg ins nahe Hålsång, wo es einen sehr schönen Strand geben soll. Der war dann auch wirklich da, allerdings war der Weg dahin weniger schön: teilweise vom See überschwemmt, mit Biber-Rutschbahnen versehen und fast zugewachsen. In Hålsång angekommen, mussten wir über den Namen des Weges doch etwas lächeln: genväg, also Abkürzung, heißt er. Der kürzeste Weg ist halt nicht immer der beste. Für den Rückweg wählten wir die etwas längere Variante an der Straße entlang.

Tag 4: Fjärdbotten - Nipstugan

An diesem Morgen lachte wieder die Sonne, und wir machten uns bald nach dem Frühstück auf in Richtung Nipstuga, einer kleinen Hütte hoch über dem Gaviksfjärden. Die langen Sonnenperioden wurden ab und zu von kurzen Regenschauern unterbrochen. Nach ungefähr zwei Kilometern ergab sich die Möglichkeit, nochmals einen Abstecher zum Kiosk in Hålsång zu machen. Ich nutzte die Gelegenheit zum Nachkaufen von Knäckebrot, etwas Milch zur Bereicherung des Mittagsmals, und Eis für alle zur Aufmunterung. Kurz vor dem Ziel führte der Weg noch über einen Kahlschlag. Schon den ganzen Tag drehten sich unsere Gespräche um das Thema Schlangen - und hier kroch uns eine davon! Paula muss sie knapp verfehlt haben mit ihrem Fuß. Diesmal war es ein etwas kräftigeres Exemplar.

Von dem Schreck hatten wir uns gerade erholt, als uns ein erneuter, stärkerer Schauer überraschte. Zum Glück waren es nur noch wenige Meter bis zur gemütlichen und geräumigen Hütte mit Aussicht weit über den Gaviksfjärden bis hinüber zur Rotsidan und zum Högbonden. Als der Schauer vorüber war, ließen wir die Kinder mal allein, um im Tal Wasser zu holen. Dabei mussten wir aufpassen, dass wir nicht dem deutlichen Reitweg sondern dem schmalen Wanderweg folgten. In einem Haus in Lidebro konnten wir unseren Wassersack füllen. Auf dem Rückweg warfen wir noch eine Laterne um ...

Am Abend gab es wieder mal Tortellini. Nach ausgiebigen Uno-Runden schliefen wir dann in der gemütlichen Hütte ein, während die Schauer draußen immer seltener wurden. In der Nacht klarte es auf.

Tag 5: Nipstugan - Ryd

Sonne weckte uns am Morgen, und nach kräftigem Frühstück nahmen wir den Abstieg in Angriff. Durch Lidebro hindurch und weiter nach Eden führte uns der Weg. Als wir kurz hinter Eden wieder das Meer erreichten, war es Zeit für eine Mittagsrast.

Nachmittags ging es weiter immer in Strandnähe nach Gavik, einem kleinen Ort mit vielen Ferienhäusern. Am ehemaligen Hafen konnten wir an einem Wasserhahn unsere Flaschen auffüllen. Einer der spontanen Regengüsse überraschte uns auch hier. Zum Glück durften wir uns in einer Sauna unterstellen. Mit der Aussicht auf einen baldigen Zeltplatz schulterten wir nach dem Regen unsere Rucksäcke und marschierten weiter. Bis nach Brattnäset folgte der Weg dem Ufer, um dann die kleine Halbinsel zu überqueren. Den in der Karte eingezeichneten Windschutz fanden wir nicht, suchten aber auch nicht weiter. Kurz hinter der Halbinsel öffnete sich dann der Wald, und wir beschlossen, auf einer der Wiesen in Ufernähe unsere Zelte aufzuschlagen. Da Häuser in der Nähe waren, fragten wir sicherheitshalber um Erlaubnis. Wir sollten kein Feuer anmachen, meinten die Anwohner, aber ansonsten hätten sie keine Probleme mit Zeltern. Und ob wir denn nicht frieren würden - letzte Nacht waren es nur 7 Grad!

Zur Feier des Tages kochten wir gleich 4 l Suppe, hinterher waren wir zwar satt, aber es gluckerte auch recht eigenartig im Magen ... Zum Aufwaschen und Wasserholen fand sich ein kleines Bächlein, das kurz vor den Wiesen den Wanderweg überquert.

Tag 6: Ryd - Lappudden

Kalt war es tatsächlich in der Nacht. Aber in unseren Schlafsäcken war das kein Problem. Gut ausgeruht nahmen wir bei Sonnenschein die letzte - kurze - Etappe in Angriff. Zunächst ging es durch die Siedlung Ryd, dann entlang der Straße in Richtung Mädan und Vännersta. Unser ganzes Repertoire an Liedern musste herhalten, doch dann hatten wir die ungefähr 4 km Straße geschafft. Die letzten 2 km auf die Landzunge Lappudden hinaus war dann ein rechter Klacks, und schon zur Mittagszeit konnten wir unsere Rucksäcke an der vom Friluftsfrämjandet betriebenen Station absetzen. Zur Übernachtung bezogen wir die Härbre, eine alte Scheune, wieder hergerichtet und mit Betten ausgestattet.

Für den Nachmittag mieteten wir ein Kanu, um die 3 km nach Nordingrå nicht zu Fuß gehen zu müssen. Der Wind machte uns ganz schön zu schaffen - auf der Hinfahrt kam er jedoch noch von hinten. Dennoch drehte er das Boot immer quer zu den Wellen, und wir hatten Anfangs arge Mühe, den Kurs auf die Kirche von Nordingrå zu halten, wo wir an Land steigen wollten. Nach Einkauf und Mittagsmahl am Strand kämpften wir uns wieder zurück. Mit im Boot nun alle Arten von Lebensmitteln, auf die wir die letzten Tage verzichten mussten.

Nachdem wir den Einkauf sicher an Land gebracht hatten, begaben wir uns nochmals aufs Wasser, um die große Insel Prästön zu umrunden. Ungefähr eine Stunde benötigten wir für diese Rundfahrt. Auf der Rückfahrt legten wir auf der so genannten Robinsoninsel an, wo wir vorher schon einen kleinen Rucksack mit dem Abendessen deponiert hatten. Nun wurde gegrillt. Zu den ungarischen Würsten gab es noch Kartoffelpürree mit Gemüse - nie wieder Tütensuppe! Der Abendsonne entgegen paddelten wir zurück zum Lappudden.

Tag 7: Radausflug nach Bönhamn

Für diesen Tag hatten wir uns Fahrräder gemietet. Erst auf dem Fahrradsattel bekommt man so richtig zu spüren, woher die Hohe Küste ihren Namen bekommen hat. Durch Nordingrå und am Ostufer des Sees war alles noch einfach, die erste richtige Steigung erwartete uns auf der Straße nach Björnås. Letzteres liegt schon fast wieder auf Meereshöhe, sodass wir den nächsten Berg hinüber nach Bönhamn in seiner ganzen Schönheit genießen konnten. Schöne Belohnung war gegen Ende die Abfahrt ins Fischerdorf, die uns auch noch mit Walderdbeeren versüßt wurde.

In Bönhamn setzten wir uns zuerst mal an die Anlegestelle der Fähre zum Högbonden. Da saßen wir eine Weile, bevor wir dem markierten Weg südlich in eine kleine, mit einem Geröllfeld gefüllte Bucht folgten. Hier erfreuten wir uns am kräftigen Wellengang und ließen uns richtig schön nassspritzen und im Windschatten auf den Steinen wieder von der Sonne trocknen.

Für den Rückweg nach Nordingrå wählten wir die längere aber flachere Route über Fällsvik und Ådal. Im ICA ergänzten wir schnell noch unsere Lebensmittelvorräte, bevor wir dann die letzten Steigungen zurück zum Lappudden in Angriff nahmen.

Tag 8: Regen, Regen, Regen ...

Wo kommt nur das ganze Wasser her? Wir blieben lieber in der gemütlichen Härbre und bewegten uns nur mal schnell zum Laden, um etwas Süßes zur Ergänzung des Nachmittagstees zu besorgen. Mit Uno und Remmy vergeht die Zeit auch sehr angenehm.

Tag 9: Und weiter geht's

Die Höga kusten verabschiedete sich weinend von uns. Wenn Engel reisen ... Bis nach Ullånger brachte uns ein Taxi. Von dort ging es weiter nordwärts - nach Umeå und zur Insel Holmön.

Infos und Links

Zug- und Busverbindungen in Schweden
Höga kusten
Friluftsfrämjandet
Lappudden
Nordingrå Bönhamn
Bucht bei Bönhamn
Högbonden


Axel Franke, August 2001